Mit den Ohren Filme schauen
Wenn Menschen ohne Seheinschränkungen Kontakt zu blinden oder sehbehinderten Personen haben und man auf das Thema Film und Fernsehen zu sprechen kommt, ist die Verwunderung manchmal groß. „Sehende Menschen fragen mich oft, warum ich überhaupt ein TV-Gerät habe – ich könne doch eh nicht fernsehschauen! Aber das ist Quatsch!“ erzählt Herr Biermann, ein Mieter des Blindenhilfswerks Berlin e.V. „Ich gucke mir zum Beispiel gerne Fußballspiele an – das ist einfach etwas Anderes als wenn man im Radio zuhört. Mit meinem minimalen Sehrest erkenne ich dann zum Beispiel noch hell und dunkel.“
Die Fernsehwelt wird für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen vor allem durch Audiodeskriptionen zugänglich. Audiodeskriptionen sind akustische Beschreibungen von relevanten Veränderungen innerhalb des Geschehens, die blinden und sehbehinderten Personen eine bessere Wahrnehmung der Handlung ermöglichen. Sogenannte Hörfilme sind erfreulicherweise keine Seltenheit mehr. Die Einstellung erfolgt durch eine Taste auf der Fernbedienung. Der Hinweis darüber, ob dieses Format jeweils verfügbar ist, wird zu Beginn mit einem akustischen Signal und dem Kürzel „AD“ in einer Bildecke gezeigt. Der einen oder anderen Person ohne Seheinschränkung ist das sicherlich schon sonntags aufgefallen, denn jeder Tatort, um nur ein Beispiel zu nennen, kann auch als Hörfilm angesehen werden.
Heute wird zum 19. Mal der Deutsche Hörfilmpreis verliehen. In den Kategorien „Kino“, „Dokumentation“, „TV/Mediatheken/Streamingdienste“, „Filmerbe“ und „Kinder-/Jugendfilm“ werden damit die Produktionen mit den besten Audiodeskriptionen ausgezeichnet. Wie in jedem Bereich gibt es nämlich herausragende und auch nicht so gute Beispiele.
Frau Mütze, ebenfalls eine blinde Mieterin des Blindenhilfswerkes Berlin e.V., war selbst Teil eines Teams, das Audiodeskriptionen erstellt hat. Sie sieht die Kunst vor allem darin, so viele Worte wie nötig und gleichzeitig so wenig wie möglich einzusetzen. Personen ohne Seheinschränkungen brauchen viel Empathie und Erfahrungen, um den wenigen Platz zwischen dem Gesprochenen mit den wichtigsten Informationen sinnvoll zu füllen. Frau Mütze betont aber, dass die Zusammenarbeit mit Menschen mit Sehbeeinträchtigen trotz allem Einfühlungsvermögen unumgänglich ist: „Nur Betroffene wissen wirklich, wie es ist eine Seheinschränkung zu haben und können einschätzen, ob die Beschreibungen gut oder schlecht sind.“ Genau dieses Prüfen war ihre Aufgabe bei der Hörfilmproduktion.
Ob ein Hörfilm gelungen ist, hängt aber auch vom Film oder der Serie selbst ab, erläutert Frau Mütze weiter. Vor allem, wenn während der zu sehenden Handlung sehr viel gesprochen wird, es also wenige Pausen für Audiodeskriptionen gibt, oder der Inhalt durch Zeitsprünge beispielsweise sehr divers ist, stößt man mit einer Hörfilmfassung an seine Grenzen. „Insbesondere beim Krimi ist das manchmal so – da fällt es auch mit guten Beschreibungen oft schwer allem zu folgen.“, so Frau Mütze.
Während sich Menschen mit Seheinschränkungen über das Hörfilmformat freuen, ist es für Nichtbetroffene eher befremdlich, wenn man zufällig oder aus Versehen darauf umschaltet. Doch nicht jeder von ihnen wechselt zurück in das eigentliche Format. Einige sind Fans von Hörfilmen geworden, auch wenn sie eigentlich nicht zur Zielgruppe gehören. Dank der zusätzlichen Beschreibungen bemerkt man nämlich Details, die einem ansonsten nicht aufgefallen wären.
Ihr/e Ansprechpartner/in
Carsten Zehe
Tel.: 01522 5883073
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