Wenn die innere Uhr anders tickt

31. Oktober 2021 | Im Rückblick Zum Thema

Heute am 31.10. wurde mal wieder an der Uhr gedreht. Die Stunde, die uns Anfang des Jahres genommen wurde, bekamen wir heute Nacht zurück. Auch wenn Gewohnheitstiere dadurch kurzzeitig aus dem Takt kommen, orientiert sich unser Biorhythmus eigentlich nicht an einer bestimmten Uhrzeit, sondern unter anderem am Tageslicht. Wenn die Sonne aufgeht, werden wir in der Regel wach und wenn sie untergeht, kommt die Müdigkeit. Das hat vor allem etwas mit unseren Augen zu tun. Was genau, kann Dr. Roland Zimmermann erklären. Er arbeitet als freiberuflicher Berater für das pharmazeutische Unternehmen Vanda Pharmaceuticals, das u.a. im Bereich der Chronobiologie und zu Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen bei blinden Menschen forscht.

Herr Dr. Zimmermann, welche Rolle spielen unsere Augen in Bezug auf unseren Biorhythmus?

Zunächst mal muss man sich vergegenwärtigen, dass unsere gesamte Welt und alle Vorgänge in unserem Körper einer Rhythmik folgen – die Erde beispielsweise kreist um die Sonne und um sich selbst; dies führt dann zu unseren Jahreszeiten, zu wechselnden Mondphasen … und zu Tag und Nacht. Diese Rhythmen sind nicht voneinander losgelöst zu betrachten, sie bedingen und brauchen einander, wenn Sie etwa an Ebbe und Flut, an die Wachstumszyklen von Pflanzen und vieles mehr denken.
Die gleiche Rhythmisierung finden wir in unserem Körper – in unseren Tagesabläufen, in der Steuerung unserer Körperfunktionen, unseres Hormonhaushalts etc. Die spannende Frage ist nun, was die Rhythmik in unserem Körper steuert – und hier kommen unsere Augen ins Spiel, denn es ist das Licht, der Wechsel von Tag und Nacht, der uns und unsere internen Prozesse mit dem äußeren 24 Stunden Tag synchronisiert.

Wie regelt sich der Biorhythmus von blinden Menschen?

Bedingt durch die fehlende Lichtwahrnehmung über die Augen, folgt er meist nicht dem äußeren 24 Stunden Tag-Nacht-Rhythmus, sondern er folgt seinem eigenen, durch die innere Uhr getaktetem Rhythmus und dieser ist individuell bei jedem Menschen anders – bei dem Einen beträgt er 23,5, bei dem Nächsten vielleicht 25 Stunden. Das kann dann natürlich gravierende Auswirkungen auf die Tag-Nacht-Aktivitäten haben, da sich diese Phasenverschiebungen summieren und irgendwann ist die Phase erreicht, in der der Körper am hellen lichten Tag das Signal zum Schlafen und in der Nacht zum Wachsein erhält. Der eigene, innere Rhythmus wird dann nicht mehr vom äußeren 24-Stunden-Rhythmus synchronisiert. Diese Störung hat mittlerweile einen Namen erhalten, Nicht-24-Stunden-Schlaf-Wach-Syndrom, kurz NON-24 genannt.

Inwieweit kann etwas gegen Störungen, die durch Blindheit entstehen, getan werden? Gibt es Therapiemöglichkeiten?

Grundsätzlich können Rhythmen beeinflusst werden, durch Regelmäßigkeiten im Tagesablauf oder durch eine sogenannte Schlafhygiene. Diese Einflussmöglichkeiten sind allerdings begrenzt, weshalb Menschen, die an sich die weit über Tagesmüdigkeit und des Nachts Wachseins hinausgehenden Symptome entdecken, unbedingt den Rat eines Experten einholen sollten, der eine gesicherte Diagnostik und ggf. Therapievorschläge machen kann.

Wie kann ich als Nicht-Betroffene Betroffene unterstützen?

Zunächst mal durch Verständnis – NON-24 ist eine Erkrankung, ihre Symptome können dramatisch sein und sind nicht etwa die Auswirkungen eines unsteten Lebenswandels; und dann ist es wichtig, Betroffenen den Weg zu einem Experten zu raten, der NON-24 zu diagnostizieren und zu behandeln weiß und nicht die Symptome fehldeutet und damit auch fehldiagnostiziert.

Bild eines halben Weckers auf der linken Bildseite.

Wir danken Herrn Dr. Zimmermann an dieser Stelle für das Interview. Wir freuen uns, ihn am 24.11.2021 von 19:00 bis 21:00 Uhr bei uns im Saal in der Lepsiusstaße 117 begrüßen zu dürfen. Im Rahmen eines Vortrags wird er ausführlich über

–      Schlaf und dessen Notwendigkeit im Allgemeinen,
–      Ursachen von Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen bei blinden Menschen,
–      Symptome von NON-24 und deren Alltagsauswirkungen
–      sowie über Unterstützungsangebote
referieren.

Für den Vortrag können Sie sich telefonisch oder per Mail bei Elfi Schwab anmelden: 030 / 790 13 99 17 / e.schwab@blindenhilfswerk-berlin.de
Es gilt die 3G-Regel.

 

Ihr/e Ansprechpartner/in

Carsten Zehe
Tel.: 01522 5883073
info@blindenhilfswerk-berlin.de

Weitere interessante Artikel:

Unterstützen Sie uns
Wir bei Facebook
Wir bei Instagram
Das Blindenhilfswerk verwendet Cookies, um die Webseite bestmöglich an die Bedürfnisse unserer Besucher anpassen zu können. Wenn Sie auf der Seite weitersurfen stimmen Sie der Cookie-Nutzung zu. Mehr Informationen